Ein Jahr für den Kiebitz

Abschied vom Vogel des Jahres 2024


Kiebitz -Vogel des Jahres 2024 Foto: NABU/Frank Derer
Kiebitz -Vogel des Jahres 2024 Foto: NABU/Frank Derer

Hannover – Der Kiebitz, Meister der Lüfte und mit seinem unverwechselbaren Ruf „Kie-witt“ charakteristischer Bewohner der Feuchtwiesen, hat als Vogel des Jahres 2024 auf die dramatische Situation der Wiesenvögel in Deutschland aufmerksam gemacht. „Als Vogel des Jahres 2024 hat uns der Kiebitz noch einmal vor Augen geführt, wie bedroht die Natur vor unserer Haustür ist, aber auch, wie viel wir alle gemeinsam erreichen können“, sagt Renée Gerber, Pressereferentin des NABU Niedersachsen. Zum Jahresende verabschiedet der NABU Niedersachsen den Vogel des Jahres 2024 und zieht Bilanz.

 

Ein Kämpfer ums Überleben

Einst weit verbreitet, steht der Kiebitz heute durch die Folgen von Entwässerung, intensiver Landwirtschaft und der Klimakrise kurz vor dem Aussterben. Seit den 1980er-Jahren sind seine Bestände um alarmierende 93 % zurückgegangen, und er wird auf der Roten Liste als „stark gefährdet“ geführt. „Der Kiebitz ist der Charaktervogel Niedersachsens und anderer Regionen mit hohem Grünlandanteil. Noch vor wenigen Jahrzehnten war es selbstverständlich, ihn als ‚Frühlingsboten‘ an Stadt- und Dorfrändern zu begrüßen. Dann hieß es: ‚Auf die Räder, wir fahren zu den Kiebitzwiesen!‘ – ein beliebter Ausflug, der heute kaum noch möglich ist“, erläutert Rüdiger Wolters, Mitarbeiter des NABU Niedersachsen. Er fährt fort: „Der ungebremste Flächenverbrauch durch Baugebiete, Gewerbe- und Industrieflächen oder Autobahnen hat wertvolle Grünlandflächen zerstört und sie oft in riesige Maisäcker verwandelt. In solchen Lebensräumen hat der Kiebitz kaum noch eine Chance – trotz der besonderen Verantwortung, die wir in Niedersachsen für diese Art tragen. Es liegt an uns zu verhindern, dass der Kiebitz eines Tages nur noch im Heimatmuseum zu sehen ist. Auch künftige Generationen sollen sich an seinem charakteristischen Ruf und seiner grazilen Erscheinung erfreuen können!“

 

Heute findet der Kiebitz vor allem in Schutzgebieten wie dem Niedersächsischen Wattenmeer, dem Dümmer oder der Unterelbe Zuflucht. Insbesondere die Marschen an der Nordseeküste sowie die Unterläufe von Ems, Weser und Elbe sind wichtige Rückzugsorte, während er in vielen anderen Teilen Niedersachsens, vor allem im Binnenland, als Brutvogel bereits verschwunden ist.

 

Schutzmaßnahmen, die Wirkung zeigen

Trotz des anhaltenden Rückgangs des Kiebitzes gibt es auch Lichtblicke: In einigen Gebieten sind stabile bis positive Entwicklungen zu beobachten, die zeigen, dass ein wirksamer Schutz der Wiesenvögel möglich ist. Die Zukunft des Kiebitzes hängt jedoch entscheidend von einer naturverträglicheren Landnutzung ab. Er benötigt mehr Wasser in der Landschaft sowie Wiesen und Äcker, die wiesenvogelfreundlich bewirtschaftet werden. Der NABU Niedersachsen unterstützt Landwirt*innen bei der Umstellung auf eine nachhaltigere Bewirtschaftung und bietet dafür sowohl Beratung als auch finanzielle Förderung an. Erfolgreiche Programme wie „Fairpachten“ oder der NABU-Klimafonds haben bereits dazu beigetragen, neue Schutzflächen zu schaffen und Moore zu renaturieren. „Nur durch solche Projekte können wir dem Rückgang des Kiebitzes entgegenwirken“, betont Renée Gerber, Pressereferentin des NABU Niedersachsen.

 

Zudem wurden durch sogenannte Kiebitzinseln und gezielte Renaturierungsmaßnahmen wichtige Lebensräume für die Art erhalten oder neu geschaffen. Dennoch bleibt der Erhaltungszustand des Kiebitzes weiterhin „ungünstig“. In der Normallandschaft verschlechtert sich die Habitatqualität durch die anhaltende Intensivierung der Landwirtschaft und die Auswirkungen des Klimawandels zunehmend.

Auch der Landkreis Stade hat ein Schutzprogramm für den Kiebitz aufgelegt. Details finden Sie hier

 

 

Kiebitz mit Regenwurm Foto: NABU Thomas Hempelmann
Kiebitz mit Regenwurm Foto: NABU Thomas Hempelmann

 

Der Einfluss des Klimawandels

Der Klimawandel verschärft die Probleme des Kiebitzes. Frühere Legezeiten durch einen vorgezogenen Frühlingsbeginn kollidieren häufig mit landwirtschaftlichen Arbeiten, wodurch Gelege zerstört werden. Gleichzeitig trocknen Feuchtgebiete durch ausbleibenden Regen schneller aus. „Nur durch konsequente Wiedervernässung von Feuchtgebieten und den Schutz seiner Lebensräume können wir dem Aussterben entgegenwirken“, betont Gerber.

 

Alle können mithelfen

Der NABU Niedersachsen ruft dazu auf, mit einfachen Maßnahmen beim Schutz des Kiebitzes und auch anderer bedrohter Wiesenvögel mitzuhelfen. Dazu gehören die Unterstützung ökologischer Landwirtschaft durch den Kauf ökologischer Produkte oder die Teilnahme an lokalen Aktionen wie der Nestmarkierung durch örtliche NABU-Gruppen. Mit einer Zugvogel-Patenschaft oder Spenden für Renaturierungsprojekte kann jede*r direkt zum Erhalt des Kiebitzes beitragen.

 

„Der Kiebitz steht sinnbildlich für die Herausforderungen, denen sich der Naturschutz gegenüber sieht: den Verlust von Lebensräumen, den Klimawandel und die Auswirkungen intensiver Landnutzung. Doch er zeigt uns auch, dass Veränderung möglich ist. Jetzt ist die Zeit, aktiv zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Gemeinsam können wir dem Aussterben entgegenwirken und eine lebenswerte Umwelt für kommende Generationen schaffen“, appelliert Gerber abschließend.

 

FunFacts zum Kiebitz

Unverwechselbar: Der Kiebitz verdankt seinen Namen seinem „Kie-witt“-Ruf.

Langlebig: Kiebitze können bis zu 24 Jahre alt werden.

Akrobatisch: Männchen scharren Scheinnester und beeindrucken Weibchen mit Flugmanövern.

Teilzieher: Einige Kiebitze überwintern in Deutschland, andere ziehen bis nach Spanien und Frankreich.

 Mutig: Kiebitze verteidigen ihre Nester in der Gruppe gegen Fressfeinde wie Krähen und Füchse.


Hausrotschwanz - Vogel des Jahres 2025: NABU/Frank Derer
Hausrotschwanz - Vogel des Jahres 2025 Foto: NABU/Frank Derer

Ein Blick nach vorne – Der Hausrotschwanz als Vogel des Jahres 2025

 

Während wir den Kiebitz verabschieden, heißt der NABU Niedersachsen bereits den neuen Vogel des Jahres willkommen: den Hausrotschwanz. Der flinke und gesellige Singvogel, der als Kulturfolger auch in unseren Städten lebt, wird uns im Jahr 2025 begleiten. Mit seinem auffälligen roten Schwanz und seinen fröhlichen Gesängen steht der Hausrotschwanz für die Verknüpfung von Mensch und Natur und wirft einen Blick auf die Herausforderungen des Arten- und Klimaschutzes in urbanen Räumen.