Das TAGEBLATT berichtete am 29.11.2022

Redakteurin Sabine Lohmann sprach mit BUND und NABU


In seiner Ausgabe vom 29. November 2022 berichtete das TAGEBLATT über die Sichtweise von BUND und NABU zur weiteren Entwicklung des Sandabbaugeländes zwischen den Ortsteilen "Schragenberg" (Gemeinde Nottensdorf) und "Postmoor" (Gemeinde Bliedersdorf). Das Thema ist gerade wieder  überaus aktuell, denn der Eigner des Geländes hat eine Änderung der Planfeststellung beantragt!

 

Das TAGEBLATT hat uns die Wiedergabe dieses Berichtes gestattet! Wir danken herzlich dafür!  Unten finden Sie einen Link zum Original!

 

Diese Parteien streiten um die Nutzung des Nottensdorfer Baggersees

 

Die Naturschutzverbände schlagen Alarm: Der renaturierte Baggersee in Nottensdorf ist nicht nur bei Badefreunden beliebt, sondern auch bei seltenen Vögeln. Dennoch sollen dort Häuser und ein Gewerbegebiet entstehen. Und das sorgt für mächtig Zoff.

Von Sabine Lohmann

Dienstag, 29.11.2022, 06:00 Uhr

Baggersee am Schragenberg in der Gemeinde Nottensdorf, SG Horneburg
Der Baggersee in Nottensdorf mit Blick auf den Osthang, auf dem eine Wohnbebauung geplant ist. Foto: Feindt

      

Darum geht es: Nach Ende des Sandabbaus muss das Bauunternehmen Johann Bunte den Baggersee renaturieren. Das schreibt der Planfeststellungsbeschluss vor. Für eine andere Nutzung wäre ein neues Verfahren erforderlich. Buntes Wunsch, einen Streifen auf dem Osthang für Wohnbebauung zu verkaufen, wird vom Gemeinderat unterstützt: Ein Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan wurde 2021 gefasst. Anwohner vom Schragenberg sammelten Unterschriften gegen die Wohnbebauung.

 

Parallel müsste der Flächennutzungsplan der Samtgemeinde Horneburg entsprechend geändert werden. Das soll jetzt passieren: Der Ausschuss für Klima, Planung und Umwelt befasst sich damit am Mittwoch, 30. November, 19 Uhr, im Rathaus. Bei der Neuaufstellung des F-Plans will Nottensdorf zugleich eine landwirtschaftlich genutzte Fläche südlich des Sees in ein Gewerbegebiet umwandeln. Mit knapper Mehrheit hat der Rat im September die Aufstellung eines entsprechenden B-Plans beschlossen.

 

Das kritisieren die Naturschützer: Mit Kritik an den Plänen wenden sich der BUND-Vorsitzende Heiner Baumgarten und der stellvertretende Nabu-Vorsitzende Hans-Jürgen Feindt aus Postmoor an die Öffentlichkeit. Sie sind gegen das Wohnbaugebiet und das Gewerbegebiet am Rand des Baggersees. Ein Umdenken müsse stattfinden, fordern sie. Die Natur zu schützen und die Artenvielfalt zu bewahren, müssten einen höheren Stellenwert bekommen. Und: Die gesetzlichen Festlegungen, die das Ziel haben, die Artenvielfalt und Biodiversität zu sichern und zu erhalten, sollten ernst genommen und unbedingt eingehalten werden.

 

 

Steilwände für Uferschwalben am Baggersee Nottensdorf
Steilwände für Uferschwalben am Baggersee Nottensdorf

Durch die Renaturierung habe sich der Baggersee zu einem Biotop entwickelt, sagt Nabu-Vize Feindt. Das Vorkommen von geschützten Tierarten und die große Artenvielfalt zeige die Bedeutung des ehemaligen Sandabbaugeländes für die Natur. Feindt berichtet von einer Biotop-Kartierung durch das Institut für angewandte Biologie (IfaB) in Freiburg von 2021, die vom Nabu in Absprache mit dem Kreis-Naturschutzamt in Auftrag gegeben wurde. Ergebnis: Sechs von zehn Biotoptypen des Geländes sind gesetzlich geschützt. Bei Begehungen 2021 und 2022 wurden zudem viele besonders geschützte Arten, die auf der Roten Liste stehen, dokumentiert (Fledermaus, Rebhuhn, Wildbienen). Durch die Feststellung geschützter Arten sei der Baggersee faktisch ein geschütztes Biotop, sagt auch Baumgarten. Das durch den Planfeststellungsbeschluss angestrebte Ziel sei damit auf einem guten Weg.

Weitere Kartierungen und Begehungen seien von der Firma Bunte bis zur endgültigen Klärung der weiteren Nutzung des Baggersees abgelehnt worden, bedauert Feindt. Sollte eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses beantragt werden, werden Nabu und BUND weitere Kartierungen fordern, kündigt er an.

 

Ob der Planfeststellungsbeschluss geändert wird, entscheidet die Planfeststellungsbehörde des Landkreises Stade. Das Bundesnaturschutzgesetz, das Landes-Raumordnungsprogramm (LROP), das Regionale Raumordnungsprogramm (RROP), der Landschaftsrahmenplan (LRP) des Landkreises und der Landschaftsplan (LP) der Samtgemeinde Horneburg regeln, was erlaubt ist und empfohlen wird, um die Biodiversität zu fördern. Als Ursache für den dramatischen Artenverlust gilt der Verlust von landwirtschaftlich genutzten Flächen und die vermehrte Flächenversiegelung. Sand- und Kiesgruben müssen zu naturnahen Stillgewässern entwickelt werden. Der Baggersee in Nottensdorf mit den Steilwänden für Uferschwalben gilt als Gebiet von Bedeutung für den Naturschutz.

 

Heiner Baumgarten (links, BUND) und Hans-Jürgen Feindt (NABU) im Gespräch mit dem TAGEBLATT
Heiner Baumgarten (links, BUND) und Hans-Jürgen Feindt (NABU) im Gespräch mit dem TAGEBLATT Foto: Sabine Lohmann

Die mehrfachen früheren Zusagen der Gemeinde, mit Bürgern ins Gespräch zu gehen, seien nicht eingelöst worden, kritisiert Feindt. Auch die Angelvereine, die das Gelände kaufen oder pachten und naturnah entwickeln wollten, wurden nicht gehört. Dass die Öffentlichkeit nicht ausreichend informiert wird, kritisiert auch Baumgarten. Bürger müssten frühzeitig in Entscheidungsprozesse eingebunden und schon bei der Planung beteiligt werden.

 

Die beiden Naturschützer erinnern daran, dass Planungen aus dem LROP und dem RROP entwickelt werden müssen und dass der LP, vor zwei Jahren verabschiedet, fachliche Grundlage für F-Plan und B-Pläne sei. „Wozu einen Landschaftsplan als Rahmenplan für eine Siedlungsentwicklung aufstellen, wenn er doch ignoriert wird?“, kritisieren sie.

 

Bürger und Verbände müssten sich darauf verlassen können, dass der Planfeststellungsbeschluss eingehalten wird, sagt Baumgarten. Den möglichen Tausch der Fläche am Baggersee gegen eine Ausgleichsfläche in Hagenah sieht er kritisch. Das sei zwar rechtmäßig, doch zeige es, welchen Stellenwert der Naturschutz am Baggersee habe. „Alle rechnen sich Vorteile aus, nur für die Natur und Umwelt springt dabei nichts heraus.“ Die Gemeinde habe die Pflicht, öffentliche und private Belange gegeneinander abzuwägen, sagt der BUND-Vorsitzende. Doch hier würden private Belange wie wirtschaftliche Interessen vor öffentliche Belange wie den Naturschutz gestellt. Die Vertreter der beiden Naturschutzverbände wollen das nicht akzeptieren.

 

Das sagt der Bürgermeister: Hartmut Huber (CDU) weist die Kritik der Naturschutzverbände, dass die Gemeinden den Naturschutz nicht respektieren, entschieden zurück. „Der Naturschutz spielt sehr wohl eine Rolle in Nottensdorf, wir nehmen den Naturschutz ernst“, sagt er. Doch die Planung „muss man im Gesamtzusammenhang sehen“. Was verboten sei, werde natürlich nicht gemacht: „Wir halten uns an die Gesetze, wir bewegen uns im rechtlichen Rahmen.“

 

Der Bürgermeister bestätigt, dass es Gespräche mit der Naturschutzbehörde gegeben habe, weil der Eigentümer, die Baufirma Bunte, den Streifen am Schragenberg vermarkten will. Die einreihige Wohnbebauung auf dem Osthang würde an anderer Stelle in gleicher Qualität ausgeglichen. Der Baggersee bleibe aber unangetastet, denn die „landschaftlich schöne Ecke“ müsse erhalten bleiben. Von einem „harmonischen Einklang zwischen Bürger und Natur“ spricht er.

 

Beim Gewerbegebiet am Rande des Sees sieht er ebenfalls keine Probleme. Die Planung sei davon abhängig, was die Untere Naturschutzbehörde dazu sagt. Das Gewerbegebiet sei nötig, sagt der Bürgermeister. „Wir müssen dafür sorgen, dass Steuergelder fließen.“ Denn Steuereinnahmen seien wichtig für die Daseinsvorsorge, für Kitas und Schulen. Beim Gewerbegebiet im Moorgebiet südlich der Bahn habe sich keiner aufgeregt, wundert er sich. Ein größeres Problem sei ohnehin die L130, zum Beispiel für die Krötenwanderung im Frühjahr. „Tiere haben heute schon Probleme, die Straße zu queren.“

 

Das sagt die Sandabbaufirma: „Wir sind in Gesprächen“, sagt Projektleiter Helmut Klaß. Mehr will der Sprecher des Bauunternehmens Bunte nicht sagen, denn die Planung sei „noch nicht spruchreif“. Ob es eine Einigung mit den Behörden geben wird und ob und wann ein Antrag zur Änderung des Planfeststellungsbeschlusses gestellt wird, will er nicht verraten. Nur so viel: Eine Fläche in Hagenah wurde vorsorglich als Ausgleichsfläche gekauft.

 

Das sagt der Landkreis: Kein Kommentar, heißt es auch beim Landkreis. Beim Baggersee „handelt es sich um einen planfestgestellten Bodenabbau mit Herstellung eines Gewässers“, sagt Pressesprecher Daniel Beneke lediglich. „Nach dem Abbau ist die Fläche dauerhaft als Naturschutzauflage der natürlichen Sukzession zuzuführen.“

Nach Kenntnis des Naturschutzamtes „möchte der Vorhabenträger einen Antrag auf Planänderung stellen, um die Kompensation extern durchzuführen“, so Beneke. Erst wenn ein offizieller Antrag gestellt wird, den Planfeststellungsbeschluss zu ändern, könne der Landkreis dazu eine offizielle Stellungnahme abgeben. Bei der Planfeststellungsbehörde sei aber bisher noch kein Antrag auf Planänderung eingegangen. Und weil der Naturschutzbehörde bisher kein Antrag auf Planänderung zur Stellungnahme vorliege, könne auch noch keine Aussage zu möglichen Ausgleichsflächen getätigt werden.

 

 

Erst mit einer genehmigten Planänderung sei der Weg für eine Bauleitplanung frei, so Beneke. Und erst im Rahmen der Bauleitplanung werde die Untere Naturschutzbehörde den Wert des Baggersees für den Arten- und Biotopschutz und die naturschutzfachlichen Festsetzungen in der Raumplanung prüfen und entsprechend Stellung nehmen.